Statik zum Schnäppchenpreis: Die unsichtbare Gefahr für öffentliche Bauvorhaben

Vor zwei Monaten erlebte ein Tragwerksplanungsbüro in Brandenburg eine bittere Enttäuschung: Ihr Angebot für die Tragwerksplanung eines Schulbauprojekts im Speckgürtel Berlins wurde mit der Begründung abgelehnt, es sei zu teuer. Der Zuschlag ging an einen Mitbewerber, dessen Angebot 40 % unter dem früher geltenden Mindestsatz der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) lag.

Die HOAI legt Mindest- und Höchstsätze für die Honorare von Architekten und Ingenieuren in Deutschland fest, um die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen zu sichern. Seit 2021 sind die Mindest- und Höchstsätze der Honorarordnung aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes nicht mehr verbindlich. Die Praxis, die ehemaligen Mindestsätze der Honorarordnung zu unterbieten, scheint keine Seltenheit mehr zu sein.

Doch was bedeutet das für die Gesellschaft und öffentliche Auftraggeber?

Ein Verdrängungswettbewerb mit fatalen Folgen

Für Laien mag es wie ein einmaliges Vorkommnis erscheinen, doch Tragwerksplaner berichten seit Jahren von einem beständigen Preisdruck. Dieser führt zu einem Verdrängungswettbewerb: Kleine Büros müssen vermutlich schließen oder werden sich größeren Einheiten anschließen, die in wenigen Jahren eine Monopolstellung einnehmen könnten. Dann wird es keine unbegrenzten Nachlässe mehr geben – im Gegenteil, die Preise werden steigen und die Auftraggeber werden gezwungen sein, unerwartete Zuschläge zu zahlen.

Ursachen und Entwicklung der Krise

Die aktuelle Situation hat ihren Ursprung in einer Reihe von Entscheidungen und Ereignissen. 2021 schaffte die Bundesregierung nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes, die jahrzehntealte Honorarordnung für Architekten und Ingenieure als geltendes Preisrecht ab, trotz heftiger Proteste der Kammern und Verbände. Diese Entscheidung fiel in eine Zeit des Baubooms, der jedoch bald durch den Ukrainekrieg und seine Folgen gedämpft wurde. Explodierende Energiekosten, steigende Baukosten, Inflation und hohe Zinsen sind Alltag in der Planungs- und Baubranche geworden. Zusätzlich brachen wichtige Märkte wie der Wohnungsbau und das Russlandgeschäft weg, wodurch die Konkurrenz unter Tragwerksplanern enorm zunahm.

Die Qualität leidet

Ein weiteres alarmierendes Zeichen ist die zunehmende Verschlechterung der Qualität der eingereichten Tragwerksplanungen, wie Prüfingenieure seit Jahren beobachten. Wirtschaftliche und sichere Tragwerke sind schlichtweg nicht zum Schnäppchenpreis zu haben. Wenn weiterhin der niedrigste Preis den Zuschlag erhält, riskiert man langfristig teurere Sanierungen oder gar gefährliche Bauwerke.

Ein Lösungsansatz: Auskömmlichkeitskriterien

Ein Weg aus dieser Misere könnte die Einführung eines Auskömmlichkeitskriteriums sein, welches bspw. in einer Ausschreibung in Mecklenburg-Vorpommern veröffentlicht wurde. Ein Maximalnachlass von 20 % kann dafür sorgen, dass die Honorare für Planungsleistungen im angemessenen Rahmen bleiben und somit die Qualität der Planung weitgehend gesichert ist. Öffentliche Auftraggeber haben die Möglichkeit, Kosten zu sparen. Planungsbüros haben die Chance, ihre Leistungen zu fast fairen Preisen anzubieten.

Ein Appell an die öffentlichen Auftraggeber

Die gegenwärtige Praxis der Vergabe zum Dumpingpreis muss überdacht werden. Öffentliche Auftraggeber sollten sich der langfristigen Folgen bewusst sein und Maßnahmen ergreifen, um eine nachhaltige und qualitativ hochwertige Tragwerksplanung zu fördern. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass Schulen, Krankenhäuser und andere wichtige Hochbauten auch in Zukunft sicher und wirtschaftlich tragfähig sind.

Fazit

Die scheinbare Ersparnis bei der Vergabe von Tragwerksplanungsaufträgen unter dem Mindestsatz der Honorarordnung ist trügerisch und gefährlich. Es ist an der Zeit, dass öffentliche Auftraggeber umdenken und auf Qualität und faire Preise setzen. Nur so kann die Sicherheit unserer Bauwerke gewährleistet werden.

Die Brandenburgische Ingenieurkammer setzt sich aktiv für die Qualitätssicherung von Bauleistungen ein und lehnt Preisdumping entschieden ab. Entsprechende Arbeitshilfen sind hierfür auf unserer Website zu finden unter: https://www.bbik.de/mitgliedschaften-und-listen/service/arbeitshilfen/vergabe-honorar-und-vertragsrecht/

Ein weiterer wichtiger Schritt in diese Richtung ist die Veranstaltung "Planungswettbewerbe und Vergabe in der Praxis" der Brandenburgischen Ingenieurkammer am 18. Juni 2024. Die Teilnahme ist kostenfrei. Melden Sie sich an, um auf dem Laufenden zu bleiben und mehr über bewährte Praktiken in der Vergabe von Planungsleistungen zu erfahren.

>> Hier können Sie sich die Pressemitteilung downloaden

© pressmaster | AdobeStock
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