Beton ist der zentrale Baustoff moderner Bauwerke, doch sein ökologischer Fußabdruck ist enorm. Hauptverantwortlich dafür ist Zement, dessen Herstellung große Mengen an Energie erfordert und weltweit etwa 8 % der CO₂-Emissionen verursacht.
Der Ruf nach umweltfreundlicheren Alternativen wird immer lauter. Eine spannende Antwort darauf bietet der sogenannte Biozement, ein innovativer Werkstoff, der von den Bauhaus-Universitätsabsolvent*innen Julia Huhnholz und Friedrich Gerlach in ihrem Projekt The Essence of Biocement näher untersucht wurde.
Was ist Biozement?
Biozement wird durch einen biologischen Prozess hergestellt, der auf der mikrobiologisch induzierten Calcit-Ausfällung (MICP) basiert. Hierbei bauen Bakterien den Harnstoff Urea ab und erzeugen Calciumcarbonat (Kalk), das als Bindemittel dient. Im Gegensatz zur konventionellen Zementproduktion, die energieintensive Brennprozesse erfordert, geschieht dieser Vorgang bei Umgebungsbedingungen, wodurch Energie und CO₂ eingespart werden.
Das Projekt demonstriert eindrucksvoll, wie sich mit Biozement sowohl Ressourcen schonen als auch Bauabfälle sinnvoll nutzen lassen. Huhnholz und Gerlach verwendeten rezyklierte Ziegel von einem alten Campusgebäude als Zuschlagstoff für ihren experimentellen Baustoff.
Ein Stuhl als Experiment
Ein außergewöhnlicher Ansatz des Projekts war die Herstellung eines Möbelstücks – des sogenannten Biocement Chair. Der Stuhl dient als greifbares Beispiel für die Möglichkeiten und Ästhetik des neuen Materials. Seine organisch geformten Rundprofile entstanden aus einem wiederverwendbaren Schalungssystem, das mit 3D-Druck-Technologie gefertigt wurde.
Die Herstellung des Stuhls dauerte zwölf Tage, in denen die mikrobiologischen Prozesse kontinuierlich überwacht wurden. Das Ergebnis ist ein massives, sandsteinähnliches Material, dessen Tragfähigkeit durch die Formgebung unterstützt wird. Der Stuhl zeigt, wie Design und Materiallogik Hand in Hand gehen können, und regt gleichzeitig zur Diskussion über die Zukunft des Bauens an.
Ökologische und ästhetische Vorteile
Der Einsatz von Biozement bringt mehrere Vorteile mit sich:
Chancen für das Bauwesen
Die Forschung von Huhnholz und Gerlach verdeutlicht, dass biologisch inspirierte Materialien nicht nur technische, sondern auch gestalterische Möglichkeiten eröffnen. Vor allem in einer Branche, die zunehmend auf nachhaltige Innovationen angewiesen ist, könnte Biozement eine Schlüsselrolle spielen. Neben Möbeln könnte der Baustoff künftig im Hoch- und Tiefbau Anwendung finden – etwa bei nichttragenden Bauteilen, Pflastersteinen oder innovativen Fassadenlösungen.
Allerdings stehen noch Herausforderungen an: Die Skalierbarkeit der Produktion, die Langzeitbeständigkeit und die wirtschaftliche Rentabilität müssen weiter erforscht werden. Doch Projekte wie The Essence of Biocement zeigen, wie interdisziplinäre Zusammenarbeit – hier zwischen Bauingenieurwesen, Mikrobiologie und Materialwissenschaften – den Weg für zukunftsfähige Lösungen ebnen kann.
Die Idee des Biozements könnte die Baubranche revolutionieren. Mit innovativen Prozessen, wie sie Julia Huhnholz und Friedrich Gerlach entwickelt haben, lassen sich die ökologischen Herausforderungen unserer Zeit angehen. Nicht nur Ingenieurinnen, sondern auch Architektinnen und Designer*innen sind gefragt, diesen Wandel aktiv mitzugestalten. Denn nachhaltiges Bauen ist nicht nur eine technische, sondern auch eine kulturelle Aufgabe.
Die Brandenburgische Ingenieurkammer freut sich über solche Entwicklungen und unterstützt die Verbreitung innovativer Ansätze – auf dem Weg zu einer ressourcenschonenderen Bauweise, die den Anforderungen von morgen gerecht wird.
Quelle: https://kurzlinks.de/rdfd
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