Bauliche Veränderungen im Wohnungseigentumsgesetz: Von der Angemessenheit zur Nachteilsprüfung

Am 9. Februar 2024 hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer wegweisenden Entscheidung (Az.: V ZR 244/22) zur baulichen Veränderung in Wohnungseigentumsanlagen Klarheit über die Prüfung der Angemessenheit von baulichen Maßnahmen geschaffen.

Die Entscheidung stellt einen wichtigen Bezugspunkt für Wohnungseigentümergemeinschaften und Ingenieure dar, die in der Planung und Umsetzung solcher Projekte involviert sind. Aber was genau bedeutet dieses Urteil für Ingenieure und wie sollte man es bei zukünftigen Projekten beachten?

1. Angemessenheit von baulichen Veränderungen

Grundsätzlich stellt der BGH fest, dass bauliche Veränderungen, die einem der privilegierten Zwecke gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 WEG dienen, als "angemessen" betrachtet werden. Diese Zwecke umfassen zum Beispiel Maßnahmen zur Barrierefreiheit, den Schutz vor Gefahren sowie den Einsatz energiesparender Technologien. Ingenieure, die solche Vorhaben planen, können also davon ausgehen, dass solche Veränderungen im Regelfall gerechtfertigt sind.

Dies schafft Sicherheit in der Planung und Umsetzung solcher Projekte. Für Ingenieure und Bauplaner bedeutet das, dass sie sich stärker auf die technische und architektonische Realisierung der Vorhaben konzentrieren können, anstatt sich über die grundsätzliche Berechtigung des Projekts Sorgen zu machen.

2. Die Nachteilsprüfung als entscheidender Faktor

Eine wichtige Neuerung des Urteils ist jedoch die Betonung der Nachteilsprüfung. Der BGH stellt klar, dass auch eine grundsätzlich privilegierte bauliche Maßnahme unzulässig sein kann, wenn sie zu unverhältnismäßigen Nachteilen für die Wohnungseigentümer führt. Diese Nachteile müssen bei einer wertenden Gesamtschau das Projekt in Frage stellen.

Für Ingenieure bedeutet dies, dass in der Planungsphase verstärkt auf mögliche negative Auswirkungen geachtet werden muss. Eine sorgfältige Abwägung der baulichen Gegebenheiten und der Auswirkungen auf die Eigentümergemeinschaft ist unabdingbar. Besonders bauliche Details wie die Dimensionierung eines Fahrstuhls oder dessen Platzierung im Gebäude spielen eine Rolle, wenn dadurch unverhältnismäßige Beeinträchtigungen entstehen könnten.

3. Sekundäre Darlegungslast und die Rolle der Gemeinschaft

Interessant für das weitere Vorgehen bei Streitigkeiten ist der Aspekt der Darlegungslast, wie ihn der BGH definiert. Während der klagende Eigentümer nachweisen muss, dass die bauliche Veränderung einem privilegierten Zweck dient, liegt die Beweislast für etwaige Nachteile bei der Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese Regelung ist besonders relevant, wenn Ingenieure als Sachverständige hinzugezogen werden, um technische Gutachten zu erstellen oder bei der Bewertung von baulichen Details zu beraten.

4. Praxisrelevanz für Ingenieure und Wohnungseigentümergemeinschaften

Für Ingenieure, die in Bauprojekten involviert sind, bei denen Wohnungseigentümergemeinschaften beteiligt sind, ist dieses Urteil von zentraler Bedeutung. Es bietet klare Richtlinien, wann bauliche Maßnahmen als angemessen betrachtet werden können und wann die Gemeinschaft Gründe gegen die Realisierung geltend machen kann. Besonders bei umfangreichen Sanierungen oder Modernisierungen – wie dem Einbau von Aufzügen oder Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz – sollten Ingenieure stets eine mögliche Nachteilsprüfung im Blick haben.

Das BGH-Urteil vom Februar 2024 schafft klare Vorgaben für bauliche Veränderungen in Wohnungseigentumsanlagen, die insbesondere für Ingenieure und Planer wichtig sind. Die Privilegierung bestimmter Maßnahmen erleichtert die Planung solcher Projekte, doch die Nachteilsprüfung bleibt ein zentraler Faktor. Ingenieure sollten daher eng mit den Wohnungseigentümergemeinschaften zusammenarbeiten, um Projekte so zu gestalten, dass sie nicht nur technisch sinnvoll, sondern auch rechtlich unangreifbar sind.

Für Mitglieder der Brandenburgischen Ingenieurkammer bedeutet dieses Urteil, dass sie zukünftig noch gezielter planen müssen, um den Anforderungen des WEG gerecht zu werden – eine Herausforderung, aber auch eine Chance für qualitativ hochwertige und nachhaltige Bauprojekte.

Quelle: https://kurzlinks.de/2dg8

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