Nach der Streichung der vergaberechtlichen Regelung zur Ermittlung des Auftragswertes bei Planungsleistungen (§3 Abs.7 Satz 2) besteht bei allen Auftraggebern weiterhin eine große Verunsicherung zur rechtssicheren Vergabe von Planungsleistungen (wir berichteten hierzu in unserem Kammerreport 08/2023).
Die vom Bundesrat am 16.06.2021 geforderten klarstellenden Erläuterungen zur künftigen rechtssicheren Berechnung des geschätzten Auftragswertes im Falle von Bau- und Planungsleistungen für die Ermittlung des einschlägigen EU-Schwellenwertes (Bundesrat Drucksache 203/1/23) führten nicht zu dem richtungsweisenden Ergebnis, sondern trugen zur weiteren Verunsicherung der Vergabestellen im Land bei.
Die Kammern und Verbände der planenden Berufe standen in einem ständigen Austausch mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie mit den kommunalen Spitzenverbänden und führten hierzu zahlreiche Gespräche, die jedoch bisher nicht den erhofften Erfolg brachten.
Der Freistaat Sachsen unternahm am 18.01.2024 nochmals die Initiative und regte im Bundesrat einen Beschluss an, der die Bundesregierung erneut auffordert, den Ländern eine rechtssichere Hilfestellung zur Verfügung zu stellen, die den Anforderungen des Bundesratsbeschlusses vom 16. Juni 2023 gerecht wird.
Parallel dazu haben Bundesingenieurkammer gemeinsam mit der Bundesarchitektenkammer, dem AHO und dem VBI ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. jur. Martin Burgi, dem Leiter der Forschungsstelle für Vergaberecht und Verwaltungskooperationen an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, vorgelegt, dass die Verwendung einer weiteren Vergabemöglichkeit nachweist, die künftig Bestandteil der Vergabepraxis sein sollte.
Es besteht sowohl in den deutschen als auch in den europäischen vergaberechtlichen Regelungen die Möglichkeit der freien Wahl für Auftraggeber, ob Planungs- und Bauleistungen getrennt oder gemeinsam, oder auch kombiniert mit der Bildung von Fachlosen ausgeschrieben werden sollen. Bei der gemeinsamen Vergabe von Planungs- und Bauleistungen kann gem. § 110 Abs. 1 davon ausgegangen werden, dass der Hauptgegenstand des Auftrags Bauleistungen sind und somit der Schwellenwert von 5,538 Mio.€ anzusetzen ist und nicht der Schwellenwert für Dienst- und Lieferaufträge in Höhe von 221 T€ gilt. Dieser soll lediglich für planungsvorbereitende Dienstleistungen, wie z.B. Bedarfsplanungen, Studien, Verkehrsuntersuchungen, Vermessungsleistungen angewandt werden.
Das Gutachten hebt weiterhin hervor, dass der Grundsatz der mittelständigen Vergabe gem. § 97 Abs. 4 einzuhalten ist, d.h. dass die zu vergebenen Leistungen in Fach- und Teillose aufzuteilen sind.
Die Planungs- und Bauleistungen unterhalb des Schwellenwertes von 5,538 Mio.€ sind danach national (gem. § 111 Abs. 2) nach Fachlosen getrennt, nach der jeweiligen Vorschrift zu vergeben, die auf seine Merkmale anzuwenden sind, d.h. Planungsleistungen nach UVgO und Bauleistungen nach VOB.
Diese Möglichkeit der Vergabe hatte das BMWK selbst in seiner Verordnungsbegründung zur Streichung von §3 Abs. 7 Satz 2 VgV angedeutet. In den späteren klarstellenden Erläuterungen vom 23.08.2023 wurde jedoch die geltende Rechtslage durch das BMWK nur unzureichend und abstrakt beschrieben und blieb damit hinter dem ursprünglichen Verordnungstext zurück. Trotz der Zusage des BMWK, dass die Kammern und Verbände in die Bearbeitung dieser Erläuterungen der Auftragswertberechnung einbezogen würden, fand eine Beteiligung nicht statt.
„Das alternative Beschaffungskonzept ist vergaberechtskonform, denn im Europarecht wird die sogenannte Beschaffungsautonomie des jeweiligen öffentlichen Auftraggebers anerkannt. Der Ausübung seiner Beschaffungsautonomie sind insoweit keine Grenzen gesetzt,“ bestätigt Professor Burgi in seiner Begründung.
Für die Aufteilung in Planungs- und Bauleistung gilt die 20/80 - Regelung, d.h. 20 % des 5,538 Mio.€ Schwellenwertes entfallen auf Planungsleistungen. Damit birgt die Anwendung des alternativen Beschaffungsmodels die Chance zur Stärkung von kleineren und mittleren Planungsbüros. Darüber hinaus können die Vergabeverfahren für die Beteiligten erheblich vereinfacht und beschleunigt werden, wobei sich die Kosten sowohl für die Auftraggeber als auch für die Büros reduzieren lassen.
In seiner Konsequenz hat das alternative Beschaffungsmodell für die Bauindustrie zur Folge, dass eher der Schwellenwert für Bauleistungen erreicht bzw. überschritten wird, als dies bisher der Fall war und es damit zu mehr europaweit auszuschreibenden Vergaben von Bauleistungen führt. „Hierin liegt aus der Sicht des europäischen Binnenmarkts ein Vorzug“, so Professor Burgi.
Es bleibt abzuwarten, wie eine künftige Handreichung des BMWK dieses Gutachten und die Forderungen der Länder und Kommunen reflektiert und in eine neuerliche Handreichung verarbeitet.
In diesem Zusammenhang möchten wir Sie auf die Veranstaltung „Planungswettbewerbe und Vergabe in der Praxis“ am 18. Juni 2024 von 9:30 Uhr bis 12:30 Uhr in der Geschäftsstelle der BBIK oder online aufmerksam machen. Die Teilnahme ist kostenfrei. Wir freuen uns auf Ihre Anmeldung, um Sie weiter mit Neuerungen und Infos auf dem Laufenden zu halten.
Dipl.-Ing. Klaus-D. Abraham Vizepräsident der BBIK und Vorstandsvorsitzender des AHO
>> Hier können Sie das Rechtsgutachten downloaden