21. Brandenburger Ingenieurkammertag mit spannenden Aussagen
Über 200 Gäste aus Kammermitgliedschaft, Politik und weiteren Wirtschaftsverbänden nahmen an der Veranstaltung in Potsdam teil.
Nachdem ca. 20 KW Körperwärme in den gut temperierten großen Saal einmarschiert waren, entwickelte Staatssekretär Hendrik Fischer vom Ministerium für Wirtschaft und Energie seine Visionen von der Industrie 4.0 .
Während der lebendigen Moderation von Kammerpräsident Matthias Krebs kam an diesem Tag immer wieder der Tenor durch: Wir müssen öfter über den eigenen Tellerrand schauen.
(Foto: Referenten des Kammertags, v.l.n.r. Helmut Scholz, Matthias Krebs, Nicola Müller, Prof. Dr. Werner Sobek, Prof. Hans Georg Oltmanns, © Angela Iwanetz)
So stieg dann Prof. Dipl. Ing. Hans Georg Oltmanns ohne Umschweife auch in das Thema Building Information Modeling (BIM) ein. Während deutsche Ingenieure noch im Sandkasten BIM schreiben üben, hat Finnland bereits 50 Millionen in die Einführung dieser Planungs- und Realisierungstechnologie gesteckt. Die ach so geschmähten Österreicher haben bereits eine BIM –Norm. Vehement forderte er die Ingenieure auf, nunmehr nicht mehr 2 dimensional zu planen sondern 3 dimensional zu denken und zu planen. Schließlich sind unsere Produkte auch 3 dimensional erlebbar. Unsere Kunden und Handwerker verstehen die räumliche Darstellung viel besser. Traditionelle Arbeitsteilungen wie Planen und Bauen stellte er in Frage. BIM ist ein umfassender Prozess der nicht nur die Errichtungsphase, die Nutzungsphase sondern auch den Rückbau erfasst.
Helmuth Scholz, Europaabgeordneter der Linken aus Zeuthen versuchte sich und die Zuhörer auf TTIP und Ceta einzustimmen. Ehrlich bekannte er, dass die Aussagen über die Auswirkungen der Freihandelsabkommen auf die Arbeit der freiberuflichen Ingenieure noch nicht sehr gefestigt sind. Dessen ungehindert vermochte er umfangreich und allgemein über die weltweiten Problematiken der Freihandelsabkommen zu informieren.
Prof. Dr. Dr.. E.h. Dr. h. c. Werner Sobek, Uni Stuttgart
Die Sonne liefert 10.000 x mehr Energie als wir benötigen. Wir müssen sie nur ernten und speichern. So sein Credo für die elektrische Stadt. Angesicht der Bevölkerungsexplosionen in Afrika, Südamerika und im Südostasiatischen Raum fordert er neue Lösungen für die Energieversorgung. Die Konzerne findet er nicht bereit für unkonventionelle Wege. Eine Bewegung von Unten sollte es geben. Wenn man eine abgasfreie Gebäudestruktur schaffen will, sollte man auf die solare elektrische Energie zurückgreifen. Zwar haben wir in den vergangenen 40 Jahren den spezifischen Energieverbrauch halbiert aber die Wohnfläche je Einwohner verdoppelt. Also ist uns ein pressewirksames Nullsummenspiel gelungen. Zur Wahrung des architektonischen Bestandes möchte er Bestands – und Neubauten zusammenbewerten und für sie in Gänze die Null-Emission vorschreiben. Anwaltshonorare = Architektenhonorare
Die großen Baumeister planten und realisierten bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts aus einer Hand. Die Trennung von Planung und Ausführung hält Sobek für einen Grundfehler der Gegenwart. Der Planer, immer weiter entfernt von der Realisierung seines Produkts, sieht sich einer endlosen Kette von Anwaltsklagen ausgesetzt, die von Ihm die kaum machbare fehlerfreie Planung erwarten. Das Gezerre um Vertrag und Nachtrag hemmt die Produktentwicklung und protegiert die Anwaltsschaft.
Serielles Bauen als eine Lösungsmöglichkeit zur Bewältigung der Wohnungskrise für Flüchtlinge und Einheimische.
Nicola Müller, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, stieß damit eingerostete Türen auf. Vielen Ingenieuren ist dieses Thema noch unter den bekannten Wohnungsbaureihen WBS 70 u.a. geläufig. Das Wort Typenbauten klang fast vertraut. Ganz sicher dachte sie dabei an eine neue Qualität und Vielfalt mit den heutigen Möglichkeiten. Bekannte Lösungsansätze wie Verdichtung, Brachflächennutzung und Dachflächenausbau ergänzten das 10 Punkteprogramm der Bundesregierung zu obiger Problematik.
Bezahlbares Bauen und Wohnen und trotzdem keine Behelfsbauten
Mit einem Bündel von Fördermöglichkeiten will die Bundesregierung den Bedarf von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr sichern. Immerhin liegen von zahlreichen Experten über 300 Vorschläge zur Baukostensenkung vor. Dabei werden auch die DIN –Vorschriften und die Musterbauordnung nicht ausgespart. Es bleibt ein spannendes Feld, wie die Quadratur des Kreises.
Podiumsgespräch löste die Spannung nur zum Teil
Im anschließenden Podiumsgespräch gingen die Zuhörer schon konkret auf die Vorträge ein. So fragte Frank Paulick aus Erkner, wie BIM denn die öffentliche Ausschreibungsproblematik lösen wolle? Für die Antwort veranschlagte Prof. Oltmanns eine ganze Vorlesungsreihe.
Diethelm Marche aus Potsdam stellte den Widerspruch zwischen den sehr intensiven Anstrengungen zur Dekarbonisierung in Deutschland und den weltweiten besonders in China verbreiteten Zuwachs von Kohlekraftwerken zur Diskussion.
Gemessen am Leitspruch des Präsidenten Matthias Krebs – über den Tellerrand zuschauen - war es eine sehr informative Veranstaltung. Für die Brandenburger Ingenieure wurde verdeutlicht, dass Industrie 4.0 nicht nur die Planung, sondern auch die Errichtung, die Nutzung und die Recyclings- fähigkeit ihrer Bauten betrifft.
Folgende Vortragsskripte stehen zum Download zur Verfügung:
Wolfram Hey Mitglied der 5. Vertreterversammlung der Brandenburgischen Ingenieurkammer
Der Ingenieurkammertag biete neben fachlichen Themen auch immer wieder den Rahmen für die öffentliche Anerkennung langjähriger Verdienste von Personen, die ehrenamtlich die BBIK in ihren vielfältigen Themen unterstützen. So dankte die Kammer an diesem Tage folgende Personen für ihre Unterstützung:
Impressionen des 21. Ingenieurkammertags
(Fotos von Angela Iwanetz)